Cross-Media Coordinator und Musiker Marco Trovatello: „Auch für Laien verständlich“
Wer sind eigentlich die Leute, die Inhalte unter Creative Commons veröffentlichen oder diese Inhalte nutzen? Und warum tun sie es? Eine Serie. Dieses Mal: Marco Trovatello, Cross-Media Coordinator und Strategy Advisor bei der ESA (European Space Agency).
Lieber Marco, was machst Du eigentlich so?
Ich arbeite seit Mai 2014 als Cross-Media Coordinator und Strategy Advisor im Communication Department der ESA (European Space Agency) in Paris. In dieser Funktion manage ich Social Media und berate den Kommunikationsdirektor in allen Fragen der Digitalkommunikation und -strategie und setze sie gemeinsam mit ihm um. In meiner Freizeit mache ich Musik, die ich unter Creative-Commons-Lizenzen veröffentliche, betreibe gemeinsam mit FC Stoffel ein Netlabel und schreibe zumindest noch eine monatliche Kolumne über freie Netzmusik für die Kölner Stadtrevue.
Und was hat das mit Creative Commons zu tun?
Bezogen auf meinen Beruf: Eine ganze Menge, denn das Creative Commons-Lizenzmodell wurde für die digitale Welt geschaffen. Wer mit öffentlich finanzierten Inhalten zu tun hat, muss sich damit auseinandersetzen, wie er diese der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt: „All rights reserved“ oder „Some rights reserved“?
Im meinem vorherigen Job für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) habe ich mich für letzteres entschieden und konnte das Management davon überzeugen. Ich habe gemeinsam mit einem Hausjuristen Creative Commons für Inhalte der Öffentlichkeitsarbeit, an denen das DLR die nötigen Rechte besitzt, implementiert. An einem ähnlichen Projekt arbeite ich derzeit bei ESA, befinde mich dort aber noch am Anfang. Seitdem innerhalb einer Arbeitsgruppe im Dezember 2013 die CC IGO, also spezielle für internationale bzw. intergovernmental (=zwischenstaatliche) Organisationen angepasste, so genannte „portierte“ CC-Lizenzen ins Leben gerufen worden, steht die ‚Some rights reserved‘ Option also auch Organisationen wie ESA, United Nations, OECD und ähnlichen zur Verfügung.
Natürlich geht es mir als Öffentlichkeitsarbeiter dabei erstmal um vereinfachten Zugang, rechtssicheren Umgang (sowohl für Urheber als auch für Eigentümer und Nutzer) sowie – klar – eine Erhöhung der Reichweite der Inhalte. Letztlich geht es aber auch um die Erfüllung des Auftrags, die Steuerzahler über die Art und Weise der Verwendung der öffentlichen Mittel zu informieren und hoffentlich zu zeigen, dass die für die zivile europäische Raumfahrt aufgewendeten Euro gut investiert sind. Am Rande dessen steht auch das Thema Open Access, sodass ich von Marco Tullney zu einem entsprechenden Vortrag mit Diskussion auf den Open Access Tagen am 8./9. September 2014 in Köln eingeladen wurde.
Und wie sieht es jenseits Deines Jobs aus, als Musiker und Netlabel-Betreiber?
Als Musiker und Netlabel-Mitbetreiber nutze ich ebenfalls Creative Commons-Lizenzen. Ich mache seit vielen Jahren Musik, komme aus der DIY-Szene und bin trotz aller Unkenrufe überzeugt davon, dass eine – wenn auch kleine – label-, vertriebs- und plattformunabhängige Netlabelszene fortbestehen wird. Auch wenn ich selber keine kommerziellen Ambitionen habe, unterstütze ich die alternative, Creative-Commons-freundliche Verwertungsgesellschaft C3S als Mitglied und bin dankbar für Institutionen wie Brewster Kahles Internet Archive, das nicht nur mein Leben kulturell um ein Vielfaches bereichert hat. Es geht in punkto Kunst eben nicht immer nur um Geld und Monetarisierung. Kunst muss auch frei von diesen Zwängen existieren können.
Was gefällt Dir an Creative Commons, was stört Dich?
Es waren und sind die ersten Lizenzen, die auch für Laien verständlich sind. Ferner sind sie rechtssicher und ermöglichen bzw. erleichtern das Teilen von Inhalten in einer zunehmend digitalen Welt erheblich. Besonders wichtig finde ich, neben den oben schon angesprochenen Bereichen Wissenschaftskommunikation und Digitalkultur den Bildungsaspekt bzw. Open Educational Resources. Bildung ist der Schlüssel zu einer ‚guten‘ Gesellschaft – was liegt da also näher, als so viele Inhalte wie möglich frei verfügbar zu machen? Projekte wie der Schulbuch-O-Mat oder Christoph Pallaskes SEGU sind aus meiner Sicht hier wegweisend.
Mich stören: Die generellen Vorbehalte, Stigmatisierungen und Unterstellungen. Es bräuchte im Grunde noch zehn Harvard-Profs wie Lessig, um noch mehr Glaubwürdigkeit und Seriösität herzustellen.
Auch ist für mich in diesem Zusammenhang ganz klar: Creative Commons ist eine Option – eine gute und bedenkenswerte zwar, doch wer nicht möchte, muss nicht. Ich will niemanden bekehren.
Was sind Deine liebsten Quellen für Creative-Commons-lizenzierte Inhalte?
Internet Archive, Wikimedia Commons, die Creative-Commons.org CC-Suche, Bandcamp, Flickr, aber auch bestimmte Formate wie DRadio Breitband, Machtdose Podcast, Radio FreeQuency, Music Manumit, Wikipedia, CC Mixter, Soundcloud …
Zum Abschluss: was müsste Deiner Meinung nach passieren, damit Creative Commons Mainstream wird?
Ich bin mir nicht sicher, ob Creative Commons Mainstream wird bzw. werden sollte. Es wäre schön, wenn die Lizenzen und der ‚Free culture‘-Gedanke so stark wie möglich ins Bewusstsein potenzieller Nutzerinnen und Nutzer rücken und CC zu einer allseits bekannten Alternative werden würde. Den Begriff „Mainstream“ verbinde ich allerdings mit Majorlabels, Charts, dem kommerziellen Markt – und ich glaube, abgesehen davon, dass ich mich in diesen Segmenten nicht auskenne, nicht, dass Creative Commons hier eine größere Rolle spielen wird. Klar, es gibt Ausnahmen wie Cory Doctorow zum Beispiel – aber ist er Mainstream? Oder die Nine Inch Nails, die ein paar – zugegeben sehr schöne – Alben unter CC veröffentlicht haben, die musikalisch nichts mit den üblichen Releases zu tun hatten (und das war’s dann auch …).
Ich sehe sehr gute Anwendungsmöglichkeiten in den oben genannten Sektoren Öffentlichkeit, Bildung, Independent Arts & Music und bin, wie gesagt, nicht überzeugt davon, dass CC irgendwann im kommerziellen Sektor, der Mainstream-Musik, -Kunst oder ähnliches Einzug halten wird.