Designerin Magdalena Reiter: „Rüstzeug für die digitale Welt“

Wer sind eigentlich die Leute, die Inhalte unter Creative Commons veröffentlichen oder diese Inhalte nutzen? Und warum tun sie es? Eine Serie. Dieses Mal: Magdalena Reiter, Designerin die freiberuflich unter anderem für die Creative Region Linz & Upper Austria sowie die Open Commons Region Linz arbeitet. 

Magdalena Reiter (Foto: Michael Holzer, CC-BY 2.0 AT)

Magdalena Reiter (Foto: Michael Holzer, CC-BY 2.0 AT)

Liebe Magdalena, was machst Du eigentlich so?

Ich bin Designerin. Einen Großteil meiner Arbeitszeit beschäftige ich mich allerdings theoretisch mit Design. Mein besonderes Interesse gilt Open Design – das beinhaltet jene Bestrebungen, die Gestaltungsprozesse transparent und inklusiv machen: Von offene Entwicklungsprozesse über Do-It-Yourself-Produkten, oder neue Formen der Interaktion, bis hin zu einem Umgang mit UrheberInnenrecht, der bereits an die Digitalisierung angepasst ist. In der Creative Region Linz & Upper Austria und der Open Knowledge Foundation Austria betreue ich dazu jeweils den Schwerpunkt Open Design. Außerdem arbeite ich viel für die Open Commons Linz, das ist eine Initiative der Stadt Linz, die sich für digitale Gemeingüter auf kommunaler Ebene einsetzt.

Und was hat das mit Creative Commons zu tun?

Wenn man Design offen macht, kommt man früher oder später mit Creative Commons in Berührung. Denn sie sind ein wichtiges Werkzeug für eine rechtliche Sicherheit geworden: Zum Beispiel wenn man neue Formen der Zusammenarbeit austestet, ein Werk zum Remixen freigibt, oder einfach mehr Aufmerksamkeit für eigene Inhalte generieren will.

Im Bereich Open Design, was sind da Deine Lieblingsbeispiele?

Besonders spannend finde ich Projekte, die mit einem Augenzwinkern oder aus aktuellem Anlass entstehen. Beispielsweise der sea chair des anglo-japanischen Designduos Studio Swine: Das Studio hat zusammen mit einem Team von FischerInnen Plastik aus dem Meer gezogen – von dem es ja momentan viel zu viel gibt. Das Material haben sie noch am Boot geschmolzen und in Formen gegossen. Mit drei Schrauben zusammengebaut, ergeben die Einzelteile den sea chair. Das Studio hat den Herstellungsprozess in den letzten beiden Jahren noch verbessert und die aktuellen Baupläne dafür jeweils online zur Verfügung gestellt. Verkauft werden die Stühle nun von den FischerInnen selbst und finanziert wurde das Projekt durch Crowdfunding über Kickstarter.

Rucksack "Copycat <3 Backpack"

Open Design Rucksack

Gibt es auch ältere Beispiele für Open Design?

Auch DesignerInnen wie Enzo Mari oder Viktor Papanek, deren Arbeiten bereits 40 oder 50 Jahre alt sind, sind heute wieder aktuell. Das ist auch nicht verwunderlich, denn sie haben bereits damals die Wichtigkeit von partizipatorischem und prozessorientiertem Gestalten erkannt. Das tin-can radio von Papanek ist beispielsweise 1962 für den Einsatz in Entwicklungsländer im Auftrag der UNESCO gestaltet worden. Papanek achtete bei der Materialauswahl darauf, die Kosten so günstig wie möglich zu halten. Mit 9 Cent pro Radio ist ihm das auch gelungen. Herstellungskosten fielen bei der Produktion keine an, denn das Radio war ein Do-It-Yourself-Produkt.

Er wurde in Interviews manchmal darauf angesprochen, warum er „nur“ die technische Anleitung für das Radio bereitgestellt hatte, aber nicht Tipps für die Oberflächengestaltung. Als Grund nannte Papanek dafür, dass eine oberflächliche Verschönerung die Materialkosten um ein Vielfaches erhöht hätten. Außerdem erachtete er es als anmaßend, den unterschiedlichen Kulturen eine Oberflächengestaltung von außen überzustülpen. Diese Praxis war damals ungewöhnlich und gegensätzlich zum Trend seiner gestaltenden ZeitgenossInnen, aber retrospektiv funktionierte sie offensichtlich: In Indonesien verzierten die RadiobesitzerInnen ihr Werk beispielsweise gerne mit Muscheln – das wäre in Mitteleuropa wohl nicht passiert.

Concrete Hocker

Open Design Concrete Hocker

Was ist ganz allgemein Deine liebste Quelle für Creative-Commons-lizenzierte Inhalte?

Plattformen sind ein wichtiges und für mich täglichen Tool zum Austausch von Inhalten geworden, zum Beispiel die Creative-Commons-Suche von FlickR oder das NounProject. Die erste für mich relevante Plattform für den Austausch von Designobjekten war Instructables. Seit ihrem Launch 2005 hat sie sich allerdings vor allem in puncto Kommerzialisierung geändert: Sie unterscheidet nun bezahlte Pro-Members von normalen UserInnen. Außerdem wurde die Plattform 2011 von Autodesk gekauft und mit Werbung bespielt.

Ich bin daher vorsichtig geworden, wenn es darum geht, dass Crowdsourcing-Prozesse nicht vorrangig der kreativen Community dienen, sondern einem Konzern. Deswegen bevorzuge ich die Websites der KünstlerInnen als Quelle. Und vor allem zum Credit zu geben, eignet sich die eigene Seite nun mal am besten.

Was gefällt Dir an Creative Commons, was stört Dich?

Creative Commons Lizenzen zu nützen, ist für mich der einfachste Weg, in der digitalisierten Welt mein UrheberInnenrecht vernünftig zu gestalten. Allerdings ist die Kompetenz, die Lizenzen zu nützen noch nicht bei allen UserInnen des Netzes vorhanden. Deshalb ist es mir ein Anliegen das UrheberInnenrecht und Creative Commons besonders aus der Perspektive der Kreativen immer wieder zu thematisieren.

Trotzdem sind Creative Commons Lizenzen keine vollständige Lösung für die aktuellen Probleme im UrheberInnenrecht. Eigentlich sollte das UrheberInnenrecht vereinfacht und für alle Partizipierende fair gestaltet sein.

Zum Abschluss: was müsste Deiner Meinung nach passieren, damit Creative Commons Mainstream wird?

Manchmal gebe ich Workshops für Jugendliche und Kinder und merke dabei, dass das Interesse und teilweise auch die Kompetenzen in puncto UrheberInnenrecht drastisch steigen. Jugendliche machen sich Gedanken, woher Content stammt, da sie ihn ja selbst auch vielfach produzieren und publizieren.

Wichtig ist an dieser Stelle also, dass die Schulen ihre Verantwortung diesbezüglich wahrnehmen und den Jugendlichen das nötige Rüstzeug für die digitale Welt mitgeben. Der richtige Umgang mit UrheberInnenrecht gehört eigentlich auf jeden Lehrplan.

Zwei aktuelle Beispiele für Open Design aus der Creative Region Linz sind der oben abgebildete Concrete Hocker (PDF des How-tos) und die Rucksäcke „Copycat <3 Backpack“ (PDF des How-tos), sie stehen unter der Lizenz CC BY-SA-3.0 AT.

02. November 2014 von redaktioncc
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